Räume beeinflussen, wie wir uns fühlen, denken und verhalten. Das gilt auch für unsere Praxisräume! Ob durch Licht, Materialien oder die Möbelanordnung: Mit dem richtigen Vorgehen, gestaltest du Praxisräume, die zu deiner Arbeit passen und in denen deine Klient:innen sich wohlfühlen.
Für Therapeut:innen und Coach:innen ist meist klar: Wir wollen unseren Patient:innen, Klient:innen oder Coachees einen passenden Raum bieten, um sich zu öffnen und zu wachsen. Dass wir diesen sicheren Raum nicht allein durch unser Verhalten schaffen, sondern dass auch der äußere, physische Raum seinen Beitrag dazu leistet, darüber denken die meisten seltener nach.
Doch der Raum ist immer da. Wir nehmen ihn meist nicht bewusst wahr, aber dennoch wirkt er beständig auf uns. Der Raum beeinflusst unsere Emotionen, unsere Gedanken und unser Verhalten. Je nach Licht, Materialien, Grundriss und Möbelanordnung ändert sich unser Puls, manche Emotionen oder Handlungen werden wahrscheinlicher als andere. Umso wichtiger, dass wir unsere Räume bewusst gestalten! Wie gelangst du zu einer optimalen Einrichtung deiner Therapie- oder Coachingpraxis?
Wie soll deine Praxis wirken? -
Schritt 1 der Praxiseinrichtung
Überlege dir zunächst, wie deine Praxis wirken soll – auf deine Klient:innen und auch auf dich selbst. Welche Therapierichtung übst du aus? Welche Haltung vertrittst du? Meiner Erfahrung nach unterscheiden sich die Therapeut:innen und Coach:innen hier deutlich. Manche möchten einen neutralen, ruhigen Raum als „leere“ Projektionsfläche bieten. Andere bevorzugen Individualität und Gemütlichkeit. Ich hatte beispielsweise eine Psychoanalytikerin als Kundin, die durch eine Fülle an verschiedenen Gegenständen ihren Klient:innen etwas zum Anknüpfen anbieten wollte. Es zeigte sich, dass ihre verschiedenen Klient:innen oft auf etwas im Raum Bezug nahmen und Assoziationen erleichtert wurden. Es gibt hier also kein Richtig oder Falsch, sondern du kannst nach deiner persönlichen Überzeugung entscheiden.
Wie soll der Raum auf dich selbst wirken? Da du viele Stunden am Tag darin verbringst und dort gut arbeiten können sollst, ist dies ebenfalls sehr wichtig zu bedenken. Was brauchst du auch im Sinne der Selbstfürsorge, um gut für deine Klient:innen da sein zu können? Manche Therapeut:innen und Coach:innen bevorzugen eine Einrichtung entsprechend ihres individuellen Stils, ihre Lieblingsfarben und persönlich bedeutsame Bilder. Andere wiederum wollen Arbeit und Privates auch durch eine sachliche Praxiseinrichtung vom eigenen Wohnumfeld trennen. Hier lohnt sich auch der Blick in die eigene Biografie und vorige Wohnerfahrungen.
Denke in Tätigkeiten und Funktionen -
Schritt 2 der Praxiseinrichtung
Nachdem du dir zur gewünschten Wirkung des Raums umfassend Gedanken gemacht hast, kommt als Schritt zwei die Frage nach den Tätigkeiten und Funktionen. Was sollen die Klient:innen und Coachees in welchem Bereich deiner Praxis tun können (z.B. warten, trinken, WC, entspannen, liegen, sitzen, etc.)? Was möchtest du selbst alles in deinen Räumen tun können (z.B. behandeln, Berichte schreiben, lesen, dich umziehen, essen und trinken)? Und für was benötigst du weiteren Platz (z.B. Akten, Staubsauger, Moderationsmaterial, Kaffee, …)? Es empfiehlt sich, nicht gleich in Möbeln zu denken, sondern wirklich erst bei den Tätigkeiten und Funktionen zu bleiben. Eine Kundin von mir kam dadurch beispielsweise auf die Idee, dass sie in Pausen gerne Yoga machen würde. Also achteten wir in Schritt 3, der konkreten Gestaltung, auf Freiraum zum Bewegen und Stauraum für die Yogamatte.
Mach dich an die konkrete Gestaltung -
Schritt 3 der Praxiseinrichtung
Erst Schritt drei umfasst das, womit die meisten gleich starten wollen: die konkrete Gestaltung.
Auf Basis der benötigten Funktionen und Möbel, kann ein passender Grundriss entwickelt werden. Denke über die Anordnung der Möbel und Gegenstände im Raum nach. Wie stehen deine Sessel zueinander? Wo sind Fenster oder Türen? Welche Rollen bekommen die Personen im Raum dadurch? Gibt es einen „Chefsessel“? Es lohnt sich ausreichend zu experimentieren, um an jedem Sitzplatz oder ggf. Liegeplatz ein angenehmes Raumgefühl zu erzeugen. Die meisten Therpeut:innen wollen hier selbst an der kontrollierenden Position sitzen und ihren Klient:innen die geschütztere Position überlassen, damit diese sich sicher und geborgen fühlen und sich dadurch leichter öffnen können. Außerdem haben der Grundriss und die Anordnung der Dinge im Raum erheblichen Einfluss auf die empfundene Stimmigkeit. Achte also auch Achsen und Symmetrien.
Nach dem Grundriss kannst du dich auf die Suche nach passenden Möbeln und Accessoires machen.Durch die Vorüberlegungen zur gewünschten Wirkung, kannst du die Entscheidungen bezüglich Materialien, Muster, Farben, Stil, Licht, etc. gut treffen. Die Atmosphäre des Raums wird durch all diese Variablen bestimmt. Hier ist „Übersetzungsarbeit“ gefragt. Wenn ich mir eine warme, gemütliche, nahbare Atmosphäre wünsche, sollte ich beispielsweise auch vermehrt zu weichen (z.B. Stoff) und natürlichen Materialen (z.B. Holz) sowie warmen Farben (z.B. gelb, orange, rot) greifen. Raue statt glatten Materialien (z.B. grobes Leinen, unbehandeltes Holz, ungeschliffener Stein) bringen mehr Textur in den Raum, an der man sich reiben, etwas durch Berühren erfahren kann. Wenn du Ordnung und Struktur in den Raum bringen möchtest, achte darauf, deine Möbel an den Achsen im Raum auszurichten und beispielsweise durch ausreichend geschlossene Schränke zum Verstauen optische Ruhe in den Raum zu bringen.
Du siehst, die Auswahl hängt ganz und gar von deinen Vorüberlegungen zur gewünschten Wirkung und Funktion ab. Bleib‘ bei deinem Konzept und prüfe bei jedem in Frage kommenden Stück, ob es dazu passt. Dann gelingt dir eine stimmige Einrichtung aus einem Guss leichter.
Die wichtigsten Schritte bei der Einrichtung deiner Praxis im Überblick.
Kleine Gestaltungs-Tipps, die viel bewirken
Wie wir im vorherigen Abschnitt gesehen haben, ist es wenig sinnvoll allgemeingültige Tipps zu geben, da jede:r Therapeut:in unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse hat, die sich in der Gestaltung der Praxisräume ausdrücken sollen.
Ein paar allgemeine Gestaltungs-Tipps gibt es dennoch:
Natur tut uns gut: Sie reduziert nachweislich unseren Cortisolspiegel und senkt den Blutdruck – wir sind entspannter. Hole dir also Natur in deine Praxis. Dies gelingt nicht nur durch Zimmerpflanzen und Blumensträuße, sondern auch durch den Einsatz natürlicher Materialien, wie Holz oder Stein oder beispielsweise einen Zimmerbrunnen.
Licht steuert immens unsere Wachheit, reguliert unseren Hormonhaushalt und beeinflusst die Stimmung. Achte also ganz besonders darauf, wie du hier eine passende Atmosphäre erzeugen kannst. Generell empfiehlt es sich, mehrere indirekte Lichtquellen in Form von Steh- oder Wandlampen einzusetzen und nicht nur eine helle Beleuchtung an der Zimmerdecke anzubringen. Indirektes Licht sorgt für mehr Gemütlichkeit. Tageslichtlampen simulieren das Farbspektrum des Tageslichts über den Tagesverlauf hinweg und wirken daher positiv auf unsere Gesundheit.
„Menschen wollen sehen, ohne gesehen zu werden“. Das bedeutet, dass wir gerne eine schützende Wand oder Nische im Rücken haben und in den Raum blicken möchten. Eine Tür im Rücken zu haben, ist den meisten Menschen eher unangenehm. Da es gerade im Kontext von Psychotherapie und Coaching wichtig ist, sich sicher und geborgen zu fühlen, um sich gut öffnen zu können, empfehle ich, die Anordnung der Möbel im Raum gut zu bedenken.
Viel Spaß und Erfolg beim Einrichten und Umgestalten. Auf dass es bald noch mehr Räume gibt, die uns wirklich guttun!
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